Das französische Theaterkollektiv Sud Lointain forscht der Geschichte der „letzten Hexe“ in Europa nach, in dokumentarischer und spielerischer Weise gleichzeitig. Anna Göldis Hinrichtung im Jahr 1782 steht am Ende einer langen Reihe von Morden, der sogenannten „Hexenjagd“, der mehr als hunderttausend Menschen, meist Frauen, zum Opfer fielen. In einem diskursiven Ping Pong beleuchten eine Schauspielerin und ein Schauspieler die verschiedenen Fakten, die zur Verurteilung Anna Göldis geführt haben - der Volksglaube, die Gerüchte und die Stimmungsmache gegen sie - und wie der Gerichtsprozess durch den „Whistleblower“ Johann Melchior Kubli und den Journalisten Heinrich L. Lehmann überregional bekannt wurde. Dabei suchen sie immer nach Parallelen zwischen Annas Ausgangssituation als kinderloser Frau und Arbeiterin und dem Frauenbild unserer heutigen Gesellschaft. Wie wird eine Stimme hörbar, die vor über 200 Jahren mundtot gemacht wurde? Der Glarner Beschluss von 2008 erklärt Anna Göldi nachträglich für unschuldig.
Wie können wir die Lücken unserer Geschichtsbücher füllen und unser kollektives Gedächtnis umschreiben?
Die im Großraum Paris ansässige Compagnie Sud Lointain realisiert multidisziplinäre Theaterprojekte, in denen eine historische Recherche mit aktuellen gesellschaftlichen Fragen verknüpft wird. Oft steht eine Einzelbiographie in Resonanz mit universellen Themen. Diesem Ansatz folgt auch das Projekt um Anna Göldi. Für das Projekt arbeitet die junge Regisseurin Heidi-Éva Clavier erstmalig mit der Schauspielerin Céline Jorrion, die sich seit längerem mit Anna Göldi als Symbolfigur beschäftigt, mit dem Schauspieler Charles Morillon und der Dramaturgin Corinna Popp zusammen.
www.sudlointain.fr
Eine erste szenische Präsentation wurde am 15.6.2025 im Anna-Göldi-Museum in Glarus, Schweiz, gezeigt. Die Uraufführung findet im Oktober 2027 in Paris statt.